Wie es zum Abspulen meines Seemannsgarns kam
Trotz Internet und der heute günstigen Möglichkeit der weltweiten verbalen Kommunikation habe ich es mir seit den ersten Tagen meiner Karriere als Kapitän zu Eigen gemacht, das Erlebte, es ist meist das, womit man schließendlich an Bord meist allein gelassen ist, zu notieren, zu beschreiben, in Sätze zu fassen. Besonders, wenn die Kollegen aus Übersee kommen und Englisch die Bordsprache ist.
Die durchaus mühselige, grammatikalisch nicht immer fehlerfreie, zeitraubende, aber auch beglückende Art der Aufarbeitung, der buchstäblichen Verarbeitung meines Alltags in Schriftform war stets Ersatz für die fehlende Kommunikation. Das, was der Mensch zu Hause nach der Arbeit am Abendbrottisch mit der Familie teilen kann und quasi auswertet, das entspricht am ehesten meinem Aufschreiben.
Andererseits lief dann auch immer ein Film in der Rückschau ab, der mich beim Auseinanderdröseln in die Lage versetzte, manchen Zusammenhang erst dann richtig zu erkennen und einzuordnen. Mit Abstand betrachtet ist man sowieso klüger und in der besseren Lage, schwierige Situationen zu bewerten. Und schlussendlich werden einem beim Zupapierbringen, bei der Suche nach dem richtigen Wort oder Formulierungen technische Vorgänge, die man beschreiben will, fast automatisch auch selbst viel klarer.
Gelegentlich spickte ich diese ‚Berichte‘ mit entsprechenden Fotos und schickte sie nach Hause, als dicken Brief, gern dreißig bis vierzig Seiten umfassend. So waren Familie und enge Freunde immer im Bilde und wussten das meiste Berichtenswerte schon vor meiner Heimkehr. Das sparte mir immerhin schon mal endloses Erzählen und Wiederholen.
Nach einem wirklich einschneidenden gesundheitlichen Erlebnis 2013 (nachzulesen in Band 4) hatte ich gute siebzig Wochen Zeit für meine gesundheitliche Rehabilitation. Viel zu viel Zeit für Reha und Sport. Es war andererseits hohe Zeit, mit der Sammlung meiner Berichte endlich irgendwas anzustellen. Freunde rieten mir schon lange: Mach doch ein Buch draus, das interessiert sicherlich viele.
Ich machte mich ans Werk, sichtete all meine Berichte, es waren rund siebzig. Und fasste sie in einer Datei zusammen. Da waren es 2.600 Seiten. Oops!
Na gut, ich entfernte alle Bilder und Zeichnungen und hatte so bereits 200 Seiten eliminiert. Immer noch viel zu viel für ein Buchprojekt.
Die erste Durchsicht, bei der ich alle höchst privaten und intimen Details verbannte und löschte, schrumpfte das Konvolut auf rund 1.800 Seiten. Das sollte wohl hinreichend sein. Für zwei Bücher? Besser doch für drei, wie ich mich berichtigen musste. Genau drei sollten es werden!
Auch die chronologische Aufteilung war bereits ausgeknobelt. Das erste Buch sollte meine Kapitänszeit bei der Reederei „Lamberts & Büttner“ umfassen, die von1997 bis 2006 währte. Das zweite Buch dann eben das ‚zweite‘ Leben als Kapitän bei der Reederei „Container Steam Ship Company“, das von 2006 bis 2018 andauerte. Und das dritte? Damit haderte ich und fand schließlich doch noch einen Dreh, der mir recht gut gefiel. Das letzte des Trios sollte als Rückblick angelegt sein, wie alles mal begann. Also mit Fokus auf meine seemännische Entwicklung, das Werden von Kindesbeinen an bis 1997, das Jahr, mit dem Band 1 beginnt. Genau! So war es geplant.
Die Suche nach einem Verlag begann.
Heute sage ich: Dies ist eine der allerschwierigsten Aufgaben, die man einem Frischlings-Schreiber nur antun kann, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und doch schreiben will. Zuviel böse Menschen da draußen! Damit stirbt man oder wird stärker. Und ich wurde stärker und starb auch etwas.
Der auserkorene Verlag, der sich anfänglich als überaus hilfsbereit und kompetent zeigte, wurde mein Waterloo, ich starb bei ihm und durch ihn. Wegen seiner – nicht durch mich verursachten – Insolvenz blieb nicht nur ich auf der Strecke. Auch von meinen vorausgezahlten finanziellen Aufwendungen, vulgo Kautionen, sah ich nur noch das Rücklicht, so schnell war alles gesetzwidrig verbraucht worden. Immerhin wurde das erste Buch ("Das dicke Blaubeerbuch") ungefähr dreißigmal gedruckt und sogar dessen zweiter Band zur Bearbeitung noch angenommen – mit dem Wissen um eine baldige Insolvenz! Das zweite verschwand dann allerdings gänzlich auf Nimmerwiedersehen im Haufen des finanziellen Desasters dieses Verlages. So wollte ich aber nicht von der Bildfläche verschwinden! So nicht und nicht mit mir!
Gewarnt und gestärkt suchte ich wieder nach einem Verlag. Beim „Engelsdorfer Verlag“ in Leipzig wurde ich nach zwei bangen, unsicheren Jahren definitiv besser bedient und betreut. Aber ich war gezwungen, die geplanten Bücher aufzusplitten und aus drei schließlich sechs zu machen. Auch wurde das Format und der Buchtitel geändert. All das bedeutete eine Menge Mehrarbeit und machte einiges Umdenken erforderlich. Leider sind es schließlich ‚nur‘ Paperbacks geworden, obwohl mir Hardcovers doch viel besser gefallen. Aber natürlich, am Inhalt hat sich nichts geändert, sieht man von kleineren Verbesserungen ab. Als eBooks sind sie ebenfalls im Angebot.
Ich halte in bescheidenem Rahmen Lesungen ab und freue mich über jede Kritik, auf Fragen und das lebhafte Interesse meiner Leser.
Ach so, und der Name 'Kaftain Blaubeer'?
Der stammte aus dem engeren Freundeskreis in Anlehnung an den bekannten blauen Pelzträger, der immer viel zu erzählen und zu berichten weiss, mit dem einzigen Unterschied, dass ich immer 'würklich' bei der Wahrheit bleibe und gut ohne Fell auskomme. Klar, und auch keine bunten pelzigen Neffen habe.